Rechtsanwalt Paul Degott

Rechtsanwalt Paul Degott, Schwerpunkt, Fluggastrechte, Reiserecht

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in Kooperation mit:

RA Prof. Dr. Ronald Schmid, Frankfurt am Main
Vors. Richter am OLG a.D. Jürgen Maruhn, Frankfurt am Main

Überörtliche Kooperation selbständiger Rechtsanwälte, die als ausgewiesene Experten täglich mit allen Rechtsfragen aus dem Bereich Touristik befasst sind - ob mit der Durchsetzung von Fluggastrechten, mit der Rückforderung von Reiseveranstalter-Stornopauschalen oder mit den wechselnden Themen des Pauschalreiserechts, auch nach der Neufassung des Pauschalreiserechts ab 01.07.2018.

hier geht es zum Fluggastrechte- Kommentar

Überzogene Erwartungen

Bei Beobachtung der vielen Reiseprozesse kann man gelegentlich den Eindruck gewinnen, dass der Pauschaltourist einer Art Vollkasko-Erwartung nachhängt, so als habe ihm der Reiseveranstalter für jede Urlaubserfahrung zu haften, in der etwas nach der subjektiven Bewertung des Reisenden etwas schief läuft. Dem ist rechtlich nicht so. Nicht alles, was einen im Urlaub nervt, begründet einen Zahlungsanspruch gegen den Reiseveranstalter. Nachfolgend einige Reisereklamationen, für die im Prozess keinerlei Ansprüche des Reisenden anerkannt worden sind:

  • Der Hotelpool ist "zu flach" (AG Bad Homburg v. d. H., Urteil vom 02.07.2002, 2 C 714/02 (9)).
  • Keine Sektgläser auf dem Zimmer (AG Offenburg, Urteil vom 23.05.1995, 1 C 357/97).
  • Flug-Turbolenzen in Gewitterfront (AG Bonn, Urteil vom 27.06.1996, 18 C 14/96).
  • Schnarchender Mitreisender (AG Frankfurt am Main, Urteil vom 30.08.2001, 31 C 842/01-83).
  • Morgendliches Krähen von Hähnen (LG Kleve, Urteil vom 23.11.2000, 6 S 280/00).
  • Annäherungsversuche des Reiseleiters (AG Bad Homburg v. d. H., Urteil vom 05.09.1995, 2 C 857/95-19).
  • 80 - 90 % der Hotelgäste sind Engländer bzw. russische Gäste bzw. Gäste nicht deutscher Nationalität (LG Kleve, Urteil vom 31.08.2001, 6 S 106/01; Urteil vom 23.11.2000, 6 S 369/00).
  • Handy-Klingeln während Essenszeiten (AG Potsdam, Urteil vom 17.04.2003, 27 C 50/03).
  • Andere Hotelgäste "mit einfach strukturiertem Niveau" (AG Hamburg, Urteil vom 07.03.1995, 9 C 2334/94).
  • "Eintöniges" Essen (AG Duisburg, Urteil vom 01.10.2008, 27 C 1039/08).
  • Bisse durch Sandflöhe und Auftreten von Sandwespen (AG Köln, Urteil vom 06.03.2008, 134 C 419/07).
  • 10 bis 20 Ameisen (LG Kleve, Urteil vom 15.02.2002, 6 S 220/01).
  • Rippenbruch bei Massage in Hamam (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2005, 1-12 U 129/05).
  • Keine Anti-Rutschmatte in Badewanne (AG Bad Homburg v. d. H., Urteil vom 01.06.1999, 2 C 594/09).
  • Mückenstiche (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 30.09.1999, 2-24 S 391/97).

Auch Klagen z. B.

  • wegen Klimaanlage einen Schnupfen bekommen
  • weil Motorengeräusch während Kreuzfahrt
  • weil Kellner nicht freundlich genug
  • weil Hotelgrünanlage in Spanien im Sommer "zu vertrocknet" war

sind vor Gericht erfolglos geblieben.

Ermittlung des Vertragsinhaltes

Es geht bei der Pauschalreise vielmehr schlicht um die Erfüllung eines schuldrechtlichen Vertrages und um die Frage, ob die erbrachten Leistungen des Reiseveranstalters die vertraglichen Abreden einhalten und deshalb der Gegenleistung/den vom Urlauber gezahlten Reisepreis entsprechen.

Ist dies nicht der Fall, steht dem Vertragspartner, also dem Reisendem im Sinne der Vertragsgerechtigkeit ein Minderungsanspruch gegen den anderen Vertragspartner Reiseveranstalter: Weniger geleistet = zu viel bezahlt, also teilweise Rückzahlung des Reisepreises.

Aber was umfasst der Vertragsinhalt?

Die vertraglichen Leistungspflichten des Reiseveranstalters ergeben sich aus

  • dem Katalog und den dortigen Prospektangaben und Leistungsbeschreibungen, auch der Fotos
  • der konkreten Reisebestätigung nach Abschluss des Reisevertrages
  • verbindlichen Zusatzvereinbarungen über Sonderwünsche
  • den Vertragskonditionen nach Maßgabe der in den Vertrag einbezogenen Reise-AGB
  • dem geschuldeten Reiseerfolg entsprechend dem Charakter der Reise.

Die Pauschalreise als Unterart des Werkvertrages ist dadurch geprägt, dass der Reiseveranstalter mit dem jeweiligen Zuschnitt der Reise einen bestimmten Reiseerfolg schuldet und diesen zu erreichen hat. Beim Badeurlaub am Meer ist der geschuldete Erfolg alles, was den Erholungsaufenthalt gewährleistet. Bei einer Studienreise werden dies die erfolgreichen Besichtigungstouren sein, bei Sportreisen die Möglichkeit, sich in der jeweiligen Sportart tatsächlich zu betätigen usw.

Prominente Haftungsgrundlage ist das Leistungsprogramm im Reisekatalog, sei dieser ein Papierkatalog oder Internet-Angebotsseiten. Alles was dort schriftlich oder über die veröffentlichten Fotos an Leistungsbeschreibung herausgegeben wird, ist verbindlicher Vertragsinhalt ab dem Moment, ab dem sich der Reisende für diese Reise entscheidet und diese bucht. Damit ist der Reiseprospekt / die Reiseausschreibung als Vertragsgrundlage für die Ermittlung eines möglichen Reisemangels von zentraler Wichtigkeit. Dies gilt sowohl für den Reisemangel als auch für ausdrückliche Zusicherungen von Eigenschaften der Reise. Prospektangaben sind, wie der Reiseveranstalter genau weiß, die wichtigste Informationsquelle für den Reisenden. Der Reiseveranstalter nimmt mit diesen Angaben ein besonderes Vertrauen in deren Richtigkeit, Vollständigkeit und Verlässlichkeit in Anspruch. Es gilt der Grundsatz der Prospektwahrheit und Prospektklarheit. Im Prospekt müssen deutlich lesbare, klare und genaue Preis- und Reiseangaben gemacht werden (Art. 250 §§ 1 bis 5 EGBGB).

Erst wenn der geschuldete Vertragsinhalt sicher festgestellt ist, läßt sich ermitteln, ob sich tatsächlich während des Urlaubs eine negative Abweichung von diesen Leistungsbestandteilen ergeben hat. Erst dann kommt man zu einem Reisemangel.

Was ist ein Reisemangel?

Nach § 651i Abs. 1 BGB ist der Reiseveranstalter verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Ist die Reise nicht von dieser Beschaffenheit, schließen sich hieran die Mängelgewährleistungsansprüche des Reisenden an. Es geht also um eine negative Abweichung des geschuldeten Soll-Zustandes zum tatsächlichen Ist-Zustand. Grundsätzlich schuldet der Reiseveranstalter Leistungen mittlerer Art und Güte, nach objektiver Anschauung eines Durchschnittsreisenden ein inländischer Standard. Zusätzlich zur Abweichung von der Soll-Beschaffenheit muss der Fehler oder Reisemangel den Wert oder die Tauglichkeit der Reise zum vertraglich vorausgesetzten Nutzen nachhaltig aufheben oder mindern. Denn der Veranstalter hat vertraglich eine Einstandspflicht nur für den Nutzen bzw. Reiseerfolg übernommen, soweit dieser von seinen Leistungen auch tatsächlich abhängt.

Ob eine solche Abweichung vorhanden ist, bleibt die große Unsicherheit eines jeden Reiseprozesses. Denn letzten Endes muss der Richter dies feststellen und bei vorhandener Diskrepanz im Wege der Schätzung einen Prozentsatz festlegen, um den die Gesamtheit der Reiseleistungen schlechter war als geschuldet und um den der gezahlte Reisepreis vom Reiseveranstalter zurück zu erstatten ist.

Grenzen der Einstandspflicht des Reiseveranstalters

So lange dieser Soll-Ist-Vergleich sich auf die touristischen Hauptleistungen wie Unterbringung, Verpflegung und Transport beziehen, wird man im Wege der Schätzung gegebenenfalls zu einer

Minderungsquote kommen, jedoch gilt auch hier die Einstandspflicht des Reiseveranstalters nicht uneingeschränkt.

So hat der Reiseveranstalter im Rahmen der von ihm vertraglich übernommenen Reiseleistungen nicht einzustehen für von außen kommende Reisebeeinträchtigungen, welche der privaten Risikosphäre des Reisenden zuzurechnen sind. Jeder Reisende trägt auch im Urlaub sein allgemeines Lebensrisiko selbst. Es ist z.B. nicht Aufgabe des Reiseveranstalters, den Reisenden vor seinen persönlichen Verletzungsrisiken zu schützen, welches sich auch im Privatbereich des Reisenden zu Hause realisieren könnte. Zur Privatsphäre des Reisenden gehört also insbesondere sein persönliches Verletzungsrisiko. So das allgemeine Unfallrisiko im Straßenverkehr oder Sturzrisiken wie in der Flughafenhalle oder vor der Hotelrezeption. Auch Bade- und Sportunfälle, Handtaschendiebstahl am Urlaubsort u. ä. gehört zu der Privatsphäre des Reisenden, für die der Reiseveranstalter nicht einzustehen hat, es sei denn, er hat im Vertrag hier besondere Einstandspflichten übernommen. Dies ist regelmäßig jedoch nicht der Fall.

Nachdem der Reiseveranstalter nur für die von ihm vertraglich übernommenen Reiseleistungen einzustehen hat, haftet er nicht für das Umfeld des Reiseziels. Denn der Urlauber bewegt sich während seiner Reise in einem bestimmten Urlaubsgebiet mit den dort lebenden Menschen und hat daher mit allen dortigen natürlichen, klimatischen, biologischen und lebenstypischen Umfeldrisiken zu rechnen. Ergibt sich hieraus eine subjektiv gefühlte Urlaubsbeeinträchtigung, ist dies nichts, was Zahlungsansprüche gegen den Reiseveranstalter auslöst. Zu nennen sind etwa die allgemeine Verschmutzung des Mittelmeeres, verschmutzte öffentliche Strände, Algenverunreinigung des Meeres, Korallenbleiche auf den Malediven, allgemeine Wetterlagen mit Regen- oder Trockenperioden, Zersiedelung der Urlaubsregion, für den Urlaubsort typisches Ungeziefer wie Gekkos, Skorpione oder auch Kakerlaken und Ameisen oder eben Bau- und Verkehrslärm, für das Urlaubsland natürliche Gerüche und Geräusche.

Ein Haftungsrisiko des Reiseveranstalters kann sich nur dann ergeben, wenn die beeinträchtigende Umweltsituation am Urlaubsort schon länger bekannt ist, länger andauert und vor allem so markant ist, dass erwartungsgemäß der Urlaub des Reisenden gestört werden wird. Dann wäre der Reiseveranstalter verpflichtet, auf diese Umstände vor Buchung hinzuweisen, vor besonderen konkreten Gefahren zu warnen. Dies gilt auch, wenn sich während des Urlaubsaufenthaltes eine solche lokale Situation zu einem speziellen Risiko auswächst. Auch hier hat der Reiseveranstalter eine Umweltbeobachtungspflicht und eine damit einhergehende Informationspflicht gegenüber dem Reisenden. Verletzt der Reiseveranstalter diese Pflichten, ergibt sich hieraus gegebenenfalls eine Haftung, nicht für das Umweltrisiko an sich.

Eine Grauzone zwischen Reisemangel und hinzunehmenden Lebenssachverhalten während der Reise bilden die sogenannten bloßen Unannehmlichkeiten.

Ist zwar eigentlich eine Fehlersituation gegeben, also eine Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit, handelt es sich hierbei aber um eine nur geringfügige Beeinträchtigung des Nutzens der Reise, hat dies der Reisende entschädigungslos hinzunehmen. Es erfolgt eine Abwägung der beiderseitigen Interessen des Veranstalters und des Reisenden unter Berücksichtigung von Treu und Glauben. Die Grenzen zwischen Reisemangel, Unannehmlichkeit und Ortsüblichkeit sind fließend. Es kommt stets auf die Umstände des Einzelfalles an. Auch müssen besondere subjektive Befindlichkeiten des Reisenden außer Betracht bleiben. Vielmehr ist entscheidend die Sicht eines objektiven, durchschnittlichen Reisenden. Dem Urlauber wird zugemutet, gewisse Unannehmlichkeiten, die sich wegen des Massentourismus ergeben, hinzunehmen, etwa geringfügige Flugverspätungen bis 3 - 4 Stunden.

Als hinzunehmende Unannehmlichkeiten gelten aber auch

  • Busfahrt statt Inlandsflug
  • Gebrauchs- und Abnutzungserscheinungen im normalen Maß
  • andere, aber fast gleichwertige zumutbare Unterbringung am gleichen Ort
  • fehlendes Toilettenpapier, welches selbst im Hotel nachgefragt werden muss
  • gelegentlicher Strom- oder Wasserausfall
  • Kampf um Sonnenliegen als Unsitte
  • Insekten und Schimmel in Nassräumen in der Türkei
  • Modergeruch und Wasserstrahl aus Dusche im Mittelklassehotel in Kenia
  • fehlender Komfort von Reisebussen in Indien und Marokko
  • Lärm durch Animation im Nachbarhotel
  • Wartezeiten am Buffet von 20 bis 30 Minuten
  • verschmutzte Tischwäsche
  • Verwendung von Resten des Mittags-Buffets für das jeweilige Abendessen in einem Mittelklassehotel auf Lanzarote und vieles mehr.

Keine Frage: Wenn der Reiseveranstalter seine wesentlichen Vertragspflichten verletzt oder diesen nur unvollständig nachkommt, hat der Reisende Anspruch auf Reisepreisminderung und die weiteren Gewährleistungsansprüche der §§ 651a ff. BGB bis hin zum Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Die Einstandspflicht des Reiseveranstalters ist aber auf das von ihm vertraglich übernommene Leistungsniveau beschränkt. Schließlich verlässt der Urlauber ja gerade sein heimisches Umfeld, um in ferner Ländern Neues zu sehen und zu erleben. Damit geht zwangsläufig einher, dass er dort bei Unterkunft Verpflegung und Umfeld nicht zu 100% deutsche Verhältnisse wird erwarten können.